Von der Wochenbrunner Alm über das Ellmauer Tor zur Vorderen Goinger Halt
T5 II A/BSehr schwere Bergtour
Inhaltsverzeichnis
Die Vordere Goinger Halt ist eines der exklusivsten Ziele im Wilden Kaiser. Nur Wenigen dürfte der Berg überhaupt ein Begriff sein - und noch viel weniger waren auf seinem Gipfel. Der anspruchsvolle Anstieg zum Dach liegt weit über den Möglichkeiten eines Bergwanderers. Felskletterer hingegen wenden sich lieber den Vertikalrouten an der namhafteren Bergnachbarschaft zu. So findet man an der Vorderen Goinger Halt fast ausschließlich die Zielgruppe, die ihr Zuhause im ungezähmten Alpingelände hat: den klassischen Bergsteiger. Eine recht überschaubare Anzahl an potentiellen Gipfelaspiranten.
Das Unterhaltungsprogramm für diese Anwärterschaft ist dafür sehr abwechslungsreich: Wegweiser nebst farbigen Gepinsel glänzen auf der Gipfelführe durch Abwesenheit. Obendrein müssen die zu findenden Steinmänner kritisch beurteilt werden, geben diese doch nur grob die Richtung vor. Dazwischen ist die einfachste Linie selbst zu finden. Solche Gegebenheiten bringen viel Potential für einen Verhauer mit sich. Das heißt, unter Umständen muss im Gipfelsturm auch mal eine Kurskorrektur vorgenommen werden.
Gewürzt wird dieser Navigations-Praxistest durch steile Auf- und Abschwünge, sowie einem luftigen Quergang (Kletterei bis II). Das Alles im brüchigen Fels. Ja, der als robust bekannte Kaiser-Fels erweist sich an der Vorderen Goinger Halt als alles andere als solide, neigt dazu unter Belastung zu zerbröseln. Ein behutsames Prüfen der Tritte und Griffe kommt der eigenen Gesundheit sehr entgegen.
Wer nach dem Besuch dieses exklusiven Kaiser-Zackens noch nicht genug hat, kann den Nachbarn, die Hintere Goinger Halt, mit anhängen - oder auf der anderen Seite des Ellmauer Tores den Karlspitzen die Ehre erweisen. Der zusätzliche Aufwand für den Besuch eines der Trabanten ist dabei nicht besonders groß.
Die Bergtour auf die Vordere Goinger Halt entspricht den Tourenkategorien Leichte Klettertouren
und Wilde Wege
.
Anforderungen/Schwierigkeiten
Das Unternehmen startet auf einer planierten Trasse, nutzt jedoch bald die Dienste schmaler Bergpfade.
Bis zum Ellmauer Tor entspricht das Schwierigkeitslevel dem Programm eine durchschnittlichen Bergtour.
Auch die Verlängerung oberhalb des Ellmauer Tor ist nicht schwieriger.
Erst wenn man in die unmarkierte Gipfelführe der Vorderen Goinger Halt einbiegt wird es richtig ernst.
Mit viel Spürsinn ist am Boden des wilden Gepräge abschnittsweise eine Spur zu finden.
Überwiegend muss die leichteste Linie aber selbst gefunden werden.
Unterschiedliche Varianten (mal äußerst schwierig (T6), mal nur
sehr schwierig (T5) - aber nie leichter) werden sporadisch durch Steinmänner angezeigt.
Dabei wird Kletterei bis zum II. Grad fällig - im brüchigen, teilweise ausgesetzten Fels.
Gute Kondition, elementares Kletterkönnen, Routeninstinkt sowie mentale Stärke sind auf dieser Tour obligatorisch.
Der komplette Bergsteiger wird gefordert!
Ausgangspunkt
AT-6352 Ellmau
Parkplatz an der Wochenbrunner Alm
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.54203
Längengrad: 12.31914
Hütten/Einkehr
Wochenbrunner Alm
Gaudeamushütte
Orientierung
Aufstieg zum Ellmauer Tor tadellos beschildert und markiert. Ab dem Abzweig zur Vorderen Goinger Halt bewegen wir uns im unmarkierten Alpingelände. Die Linie durch die Westflanke wird nur sporadisch von Steinmännern angezeigt. Die Steinmänner sind dabei nicht immer deutlich zu erkennen, markieren oft unterschiedlich schwierige Varianten. Guter Orientierungssinn und Gespür für die einfachste Linie nötig.
Ausrüstung
Von der Wochenbrunneralm zum Ellmauer Tor
T3 AVom Parkplatz an der Wochenbrunner Alm (1.040 m) in den Weg 812 in nördliche Richtung einschwenken. In einer gemütlichen Wanderung der planierten Promenade hoch zur Gaudeamushütte (1.263 m) nachlaufen.
Von der Berghütte wandern wir den weithin sichtbaren Geländeeinschnitt des Ellmauer Tor entgegen. Zunächst über flaches Almgelände, dann durch bewaldetes Terrain - mit zunehmender Aufsteilung. Die Route windet sich in Serpentinen einen Latschenhang empor, stösst oben mit dem querenden Wilder-Kaiser-Steig zusammen. Diesen für einen kurzen Moment linker Hand nachlaufen. An der Abzweigung zum Jubiläumssteig seine Direktion verlassen, rechtshaltend ins Kübelkar abdrehen. Auf der linken Seite der Schuttwüste zum Beginn eines begrünten Geländebuckel bergan. Mit Hilfe einiger Sicherungen (A) darüber hinweg, im Geröll mühsam hinauf auf eine Geländestufe. Dahinter durch eine (im Frühsommer oft noch mit Schnee gefüllten) Mulde - und in einem letzten Aufschwung zum Ellmauer Tor (1.990 m) vorstoßen.
Der Aufstieg von der Wochenbrunner Alm zum Ellmauer Tor ist stark der Sonne ausgesetzt, im Sommer sehr schweißtreibend. Als Alternative kann von der Griesner Alm über die Steinerne Rinne aufgestiegen werden. Dieser Anstieg ist etwas länger, hat den Charakter eines leichten Klettersteig (maximal A/B). Dafür liegt diese Variante bis Mittag im Schatten. Die Route über die Steinerne Rinne zum Ellmauer Tor habe ich in der Bergtour zu den Karlspitzen beschrieben.
Vom Ellmauer Tor bis zur Abzweigung Richtung Vordere Goinger Halt
T3+ I A/BAm Ellmauer Tor rechtsschwenkend in Richtung Hintere Goinger Halt anschließen. In Direktion der üppigen Markierungen wird ein erstes Felshindernis überwunden (kurz I). Oberhalb linkshaltend auf unangenehm zu begehenden Gries zu einer Rinne vorrücken. Mit Hilfe einiger Ketten diese nach oben hangeln, dann linksseitig hinausqueren. Im Zick Zack den schrofigen Hang bis zur letzten Kehre himmelwärts. Am Scheitelpunkt des letzten Knick zieht rechter Hand eine Trittspur in südliche Tendenz. Hier beginnt unser anspruchsvolles Abenteuer zur Vorderen Goinger Halt.
Von der Abzweigung hinüber zur Vorderen Goinger Halt
T5 IIAb diesem Punkt (2.100 m) gibt es keine offizielle Route mehr. Der Anstieg über den Nordgrat und durch die Westflanke der Vorderen Goinger Halt wurde im Rahmen vergangener Begehungen sporadisch mit Steinmännern markiert. Die Steinmandln kennzeichnen dabei nicht immer die logischste, einfachste Linie - zeigen oft unterschiedliche Varianten an. Den Markierungen sollte der Begeher kritisch gegenüberstehen und nach eigenem Ermessen eine Kurskorrektur vornehmen. Eine gewisse Erfahrung, die einfachste Führe identifizieren zu können, ist dafür natürlich unabdingbar. Noch ein Tipp aus der Praxis: Ich empfehle, sich auf dem Hinweg öfter mal umdrehen, sich das Gelände einzuprägen. Das kommt der Orientierung auf dem Rückweg ungemein zugute.
Den Trittspuren bis zum Beginn der Felsen nachlaufen, dort etwas nach oben steigen, oben scharf links einschwenken. Vor uns zieht eine schmale Rinne hinauf, an deren oberen Ende sich ein Steinmann präsentiert. Zu diesem hochklettern - hinauf auf den Nordgrat (I). Hier befindet sich ein Kasten, der normalerweise zur Aufbewahrung eines Gipfelbuchs dient. Daneben steckt in einem Felsspalt ein silbernes Mini-Kreuz. Dreht man sich nach Süden, lässt sich die Linie durch die Westflanke gut einsehen. Aus dieser Perspektive ist auch die nächste Steinmannmarkierung gut zu finden.
Zu unseren Füßen bricht der Grat fast senkrecht ab. Unten ist am Felsansatz ein großer Steinhaufen zu erkennen. Zu diesem muss abgeklettert (II) werden - die erste von zwei Schlüsselstelle. Der obere Teil des Abbruch ist sehr steil, bietet aber einen künstlichen Griff zur Unterstützung. Unten angekommen wird sogleich ein Felsaufschwung rechtsseitig umgangen. Von hier im Gehgelände zur nächsten Steinmann-Markierung (diejenige, welche von oben ausgemacht wurde) vorpreschen.
An dieser Steinmarkierung kann abermals die Fortsetzung gut überblickt werden. Eine passable Trittspur leitet durch die Westflanke zu einer kleinen Scharte. Die Teilstrecke wird von einem Mini-Aufschwung unterbrochen, welcher unter Einsatz der Hände gemeistert wird (I+). Es folgt die zweite, knackigere Schlüsselpassage:
Vor uns klafft ein gewaltiger Geländeriss, der zunächst unüberwindbar aussieht. Unser Blick zur Linken identifiziert auf einem Felsen das nächste Steinmandl. Ein sehr luftiger Quergang führt uns auf kleinen Tritten dort hinüber (II, 1 künstlicher Griff). Von diesem Punkt in einen Geländeriss hineinqueren. Auf der linken Seite im brüchigen Fels etwa 10 Meter abklettern (I). Der Anschluss bringt uns steil empor auf einen zierlichen Sims (I+). Hier drehen wir uns nach links und erkennen oben einen engen Felsspalt. Davor eine schmale Rampe aus einem Klemmblock sowie glatten Fels. Mit viel Reibung behutsam darüber hinweg - unterstützt durch den leidlichen Einsatz der Hände an beschränkten Haltemöglichkeiten (II).
Mit Erreichen der Felskerbe sind die größten Schwierigkeiten überwunden. Die Westflanke im Gehgelände hinaus zu einer Wiese traversieren. Folglich wieder hinauf zum Nordgrat arbeiten. Im leichten Fels das Gepräge hoch (I). Mittels Rechtsschwenk wird schließlich der höchste Punkt der Vorderen Goinger Halt (2.242 m, großer Steinmann, Gipfelbuch, kein Kreuz) unter die Füße gebracht.
Mit viel Umsicht in Direktion der Aufstiegslinie zurück zum Normalweg des niedrigeren Wander-Nachbarn kraxeln.
Für die wenigen Meter hinüber zum Gipfelkreuz der Hinteren Goinger Halt sollten wir noch genug Kraftreserven haben.
Diesen fast geschenkten
Zusatzgipfel auszulassen wäre schon sehr törichtig.
Für die Rückkehr zum Ausgangspunkt wird die Führe des Anstieg via Ellmauer Tor, Kübelkar, Gaudeamushütte, Wochenbrunner Alm retour gelaufen.
Autor (Bilder und Texte): Andreas
Bewertung
Reviewer: Andreas