Von Aurach über den Nordgrat auf die Aiplspitz und zum Jägerkamp
T4 ISchwere Bergtour
Inhaltsverzeichnis
Übererschlossen, überlaufen, wenig alpin. Die Bayerischen Voralpen und felshungrige Bergsteiger - eine Hochzeit die meist schon nach dem ersten Kennenlernen geschieden ist. Diese Alpenregion hat das Image eines pilgerreichen Wandermekkas, gilt nicht als Ort alpiner Grenzgänge. Schaut man jedoch über den Wander-Tellerrand hinaus, so finden sich auch in den bayerischen Latschenhügeln Felskuppen mit deftigen Routen.
Eines dieser Alpin-Ziele treffen wir in der Nachbarschaft zum berühmten Wendelstein - die wunderschöne Pyramide der Aiplspitz. Über deren Nordgrat verläuft eine Magic Line, die auch gestandenen Felsartisten ein Mindestmaß an alpiner Genugtuung geben sollte - eine erstaunlich rustikal-alpine Bergtour. Zusammen mit dem Normalweg lässt sich eine Überschreitung vollziehen, die man hier so nicht erwarten würde: Ausgesetztes Gelände, sowie einfach Kletterei in luftiger Position. Bergsteigerherz was willst du mehr!
Die Tour eignet sich auch für erfahrene Bergwanderer, die einmal über das reine Wandern hinausgehen, einen Schwierigkeitsgrad höher antesten
möchten.
Nicht verschweigen sollte man, das einem nach der Begehung des ruhigen Nordgrats schlagartig die oben erwähnten Pilgerströme einholen.
Mit Zugabe des einfach zu erreichenden Jägerkamp umrunden wir den Benzingkessel, schließen unsere Tour zu einer abwechslungsreichen Rund-Wanderung.
Der Aufstieg über den Nordgrat auf die Aiplspitz entspricht der Tourenkategorie Leichte Klettertouren
.
Anforderungen/Schwierigkeiten
Bereits der Aufstieg von Aurach zum Gipfelaufbau der Aiplspitz setzt auf dem sehr schmalen Pfad ausgeprägte Trittsicherheit voraus. Bei Nässe wird es hier sehr schnell sehr heikel. Der Nordgrat selbst ist mit einige netten Kletterstellen (I) gewürzt. Auch der Abstieg über den Normalweg ist nicht zu unterschätzen: Felsige Stufen (teilweise gesichert) erfordern auch hier an kurzen Stellen den Einsatz der Hände. Der Weiterweg zum Jägerkamp erfolgt im Rahmen einer unschwierigen Wanderung. Erst beim Abstieg zur Benzingalm wird das Gelände wieder steiler. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind für die anspruchsvolle Bergtour obligatorisch - dazu etwas Klettergeschick nötig. Die Überschreitung der Aiplspitz ist kein Klettersteig! Indes ist die Tour gut geeignet für erfahrene Bergwanderer die sich einmal in einfachem Felsgelände versuchen möchten.
Ausgangspunkt
DE-83730 Fischbachau
Ortsteil Aurach
Dürftige Parkmöglichkeit in der
Benzingstraße
GPS-Koordinaten:
Breitengrad: 47.70333
Längengrad: 11.92325
Hütten/Einkehr
Jägerbauernalm
(Einfache Verpflegung während der Weidesaison)
Orientierung
Die Runde ist durch die augenscheinlichen Wege vorgegeben, an entscheidenden Stellen von Wegweisern angezeigt - ferner im Gelände durch zahlreiche Farbkleckse markiert.
Ausrüstung
Von Aurach über den Nordgrat auf die Aiplspitz
T4 IUnsere alpine Bergtour startet in der Benzingstraße in Aurach (Ortsteil von Fischbachau; 730 m). Wir wandern die geteerte Straße gegen das Aurachtal an. Am Horizont lässt sich bereits der Benzingkessel mit der Pyramide der Aiplspitz erfassen. Der Teer des breiten Wirtschaftsweges löst sich in planierten Split auf, verjüngt sich in Folge zu einem schmalen, geröllbedeckten Wandersteig. In Direktion eines Entwässerungsstroms sind wir tief im bewaldeten Aurachgraben angekommen.
Die Wanderung führt auf die andere Seite des Wassers, schraubt sich wie ein Korkenzieher das Gefilde empor. Das Zick Zack verlässt den Schatten, nimmt Kontakt mit dem sonnendurchfluteten Benzingkessel auf. Nur wenig später fordert ein Wegweiser einen Richtungswechsel ein (1.280 m). Der Richtungspfeil schickt den Gipfelaspirant linksdrehend in einen sich aufsteilenden Latschenhang. Die erdigen Serpentinen durch das Krummholz fallen dabei sparsamer Natur aus. Von einem Pfad, geschweige denn einem Weg, will ich hier gar nicht berichten. Bei meiner Begehung war diese Teilpartie in keinem guten Zustand (Stellen durch üppige Vegetation arg zugewuchert, Spur teilweise weggebrochen). Kommt noch Nässe hinzu, wird es in diesem Abschnitt sehr schnell sehr heikel (Abrutschgefahr!).
Tick... tack... tick... tack. Wie ein Pendel an einer Uhr arbeiten wir uns im Hin und Her durch das Gebüsch bergan. Endlich keine Serpentinen mehr - eine Querung sorgt für Erlösung, dirigiert zu einer kleinen Scharte (1.550 m). Als Guckloch offeriert die Geländekerbe informative Sicht hinab ins Leitzachtal. Gegenüber erwächst der Wendelstein mit seiner markanten Gipfelantenne.
Jetzt wird es spannend, jetzt wird es luftig, jetzt braucht es die Hände.
Ab in den Nordgrat!
Farbmarkierung weisen uns die korrekte Linie.
Zunächst noch im Gehgelände, lässt der geröllüberflutete Boden erahnen, das die Felsqualität eher von brüchiger Konsistenz ist.
Also überlegt auftreten, nicht ausrutschen und keine Steine nach unten befördern.
Der Grat beschert dem Begeher grandiose Tiefblick - beidseitig!
Hier mal hinlangen, dort mal kurz klettern.
Der Mittelteil des Grates verlangt vermehrt Händeeinsatz.
Zwischendurch reicht aber auch der aufrechter Gang auf zwei Beinen.
Auf dem Grat ist man derweilen immer in der Kategorie Genuss
unterwegs.
Eine Querung auf einem Band, 2 Züge klettern, noch eine Bandquerung - und schon ist der Spaß vorbei.
Das Gipfelkreuz der Aiplspitz (1.759 m) beendet das kurze Kraxlintermezzo.
Überschreitung Aiplspitz über Normalweg und zum Jägerkamp
T3Für den Abstieg wählen wir den Aiplspitz-Normalweg. Dieser nutzt den Südwestgrat - und ist von ungewöhnlich anspruchsvoller Güte. Die technischen Anforderungen erreichen dabei nicht ganz das Niveau des Nordgrat. Für einen Voralpen-Normalweg ist das Gepräge aber herzhaft rustikal.
Immer wieder ziehen stark geneigte Schrofenabbrüche unsere Hände magisch aus den Hosentaschen. Auf Höhe des Tanzeck (1.703 m) gilt es eine Felsstufe zu erklimmen. Die nachfolgende glatte Platte fällt ziemlich luftig aus, ist glücklicherweise mit einem Seil gesichert. Weiter abwärts über ein abschüssiges Band, gefolgt von einem Gegenanstieg, der uns Einzug auf den grünen Wiesen der Schnittlauchmoosalm (1.670 m) halten lässt.
Am oberen Ende der Grünfläche umgehen wir rechtsschwenkend eine Geländemulde, wandern im Halbkreis hoch zu einem Wegknoten. Der schnurgerade Anschluss in nordwestliche Richtung lässt bereits von weitem die Latschenkuppe des Jägerkamp erkennen. Das Areal fällt dabei erstaunlich mäßig geneigt aus. Die Spur durch den Krummholzdschungel bleibt weiterhin gutmütig, stellt dem Wanderer keine großen Hindernisse in den Weg. So können wir reichlich entspannt dem Gipfelkreuz des Jägerkamp (1.746 m) die Aufwartung machen.
Wanderung vom Jägerkamp über die Benzingalm zurück nach Aurach
T2Den sanften, latschenbelegten Nordgrat des Jägerkamp abwärts. Unten treffen wir auf die zweckmäßige Hütte der Jägerbauernalm (1.530 m). Während der Weidesaison können hier Getränke und einfache Speisen erworben werden. Der Talweg beginnt etwas oberhalb des Almgebäudes an einem Gatter. Ein schmales, vegetationsreiches Steiglein (zu Beginn sehr steil) stellt den Zubringer zum Benzingkessel. An der Baulichkeit der Benzinglam (1.350 m) rechts vorbei. Die Verlängerung durch eine lichte Baumparzelle trifft schließlich auf unsere Aufstiegsführe. Auf bekanntem Wanderweg geht es zurück zu unserem Ausgangspunkt in Aurach.
Autor (Bilder und Texte): Andreas
Bewertung
Reviewer: Andreas